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Enerige & Management > Aus Der Zeitung - Die Wind-„Familie“ ohne Übervater Habeck
Quelle: E&M
AUS DER ZEITUNG:
Die Wind-„Familie“ ohne Übervater Habeck
Robert Habeck war auf der Husum Wind 2023 wie ein Popstar begrüßt worden. Die 2025er-Eröffnung war nur noch Playback. Es herrscht Angst, was Katherina Reiche aus dem Monitoring macht.
 
In einer entzückt-entrückt lächelnden Menschentraube hatten sich die Landesminister, Verbands- und Unternehmensvertreter der Erneuerbaren vor zwei Jahren auf der Messe Husum Wind um Robert Habeck geschart, vor seiner Keynote, die sie mit Zwischenapplaus und minutenlangem Schlussbeifall quittierten. Er bauchpinselte sie zurück: Die Husum Wind sei der „Herzschlag der Energiewende“. So ging es dem Grünen-Politiker, der sich um den deutschen Ökostromzubau kümmerte, auf jeder Erneuerbaren-Veranstaltung.

Reiche-Aktionsplan rüttelt wie Tief „Zack“

Der einst mächtigste Übervater der Branche ist ihr im Mai weggebrochen. Kurz vor der Husum Wind 2025, die sich selbst als brancheninternes „Familientreffen“ bezeichnet, verkündete er sogar seinen kompletten Rückzug aus der Politik. Nachfolgerin Katherina Reiche (CDU) hält kühle Distanz; am Vortag der Messe rüttelte nicht nur das Sturmtief „Zack“ an den Messezelten, sondern der Energiewende-Monitoringbericht und vor allem Reiches daraus entwickelter Zehn-Punkte-Aktionsplan an früheren Gewissheiten. Reiche schickte für die Keynote den Pförtner, genauer, ihren Parteifreund Stefan Rouenhoff (sprich: „Ru-enhoff“), Parlamentarische Staatssekretäre begleiten zwar den Gesetzgebungsprozess, aber in Relation zum Minister und den Staatssekretären sind sie machtlos.
 
„Reiche redet über eine Branche voller Miesepetrigkeit“, sagt Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Tobias Goldschmidt, hier rechts neben Bärbel Heidebroek (BWE) und Dennis Rendschmidt (VDMA Power Systems)
Quelle: Georg Eble


Der Brave vom Niederrhein und ehemalige Sprecher von Reiches FDP-Vorgänger Philipp Rösler hatte nun die unmögliche Mission, der Branche die Konsequenzen aus dem Monitoring näherzubringen. Der Saal war diesmal bei Weitem nicht gefüllt, Rouenhoff schritt einsam zum Ehrenplatz, erhielt nur einen Zwischenbeifall und Höflichkeitsapplaus nach seiner Rede. Mit dem Charme eines Sparkassenangestellten schmeichelte er der Windbranche: Sie trage „maßgeblich“ zur Dekarbonisierung bei, sie sei „zu der tragenden Säule unseres Energiesystems“ geworden. Und: Deutschland wolle nach wie vor den Ökostromanteil bis 2030 auf 80 Prozent ausbauen − „wir halten an den Energiezielen fest, wir stehen zur Windbranche in Deutschland!“ 

Er sei ebenfalls für Planungssicherheit, daher müsse die heimische Produktionskapazität hochgefahren werden. Differenzverträge (CfD) und „abgesicherte PPA“ würden kommen, so Rouenhoff, hier wieder zuständig, weiter, ohne zu erläutern, was er mit Letzteren meinte. Der Bund wolle durchaus Investitionen anreizen, Risiken abfedern.
 
Spult brav unkritische Punkte des Aktionsplans herunter: Parlamentarischer Staatssekretär Stefan Rouenhoff
Quelle: MHC / Reinhard Witt

Dann kam das Aber: „Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit viel stärker in den Blick rücken. Wir müssen Kosteneffizienz ins System bringen. Die Systemkosten der Erneuerbaren müssen voll mitgedacht werden.“ Rouenhoff richtete sich nun ans Publikum: „Es ist an der Zeit, dass auch Sie mehr Systemverantwortung übernehmen! Genau darauf zielt das Energiemonitoring ab.“ Fast alles davon war seit Langem bekannt. Über die neuralgischen Punkte dagegen kein Wort. Ziemlich zum Schluss versuchte der Unionist noch den Schulterschluss: Als Gocher komme er aus einer Windausbauregion und habe erlebt, wie sie davon profitiere.

Richtig schlecht kam Rouenhoff damit bei keinem Branchenvertreter weg, nach allem, was E&M in Husum hörte: Hartmut Brösamle, COO des Bremer Windkraftprojektierers WPD, forderte vor der Presse sogar, Katherina Reiche solle „so positiv über die Energiewende reden“ wie Rouenhoff. Brösamle sprach für viele, wenn er sagte, der Bericht sei okay, Kosteneffizienz wichtig, aber Katherina Reiche berufe sich missbräuchlich auf den Bericht, um in ihrem Aktionsplan eine eigene Unionsagenda durchzudrücken. Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Tobias Goldschmidt von den Grünen nannte das Papier von BET und EWI vor den Medien „eine sehr gute Grundlage für eine gute Nachjustierung der Energiewende“. Aber: „Frau Reiche redet − und das als Wirtschaftsministerin! − über eine Branche voller Miesepetrigkeit. Alles ist (ihr) zu teuer.“

Seinen Vorwurf machte Goldschmidt daran fest, dass Reiche in ihrem Aktionsplan die Stromverbrauchsprognosen „an den unteren Rand des Korridors“ aus dem Monitoring korrigiert habe. Eine Wirtschaftsministerin habe offenbar „kein Vertrauen, dass die Wirtschaft wieder anspringt, keinen Glauben an den Hochlauf von E-Fuels und Wärmepumpen“.

Drei Energiemanager über Reiche

Drei Energiemanager, die E&M in Husum interviewt hat, äußerten sich ähnlich wie WPD-COO Brösamle, setzten aber zum Teil andere Akzente. Sie bleiben bis zur Veröffentlichung der autorisierten Interviews in E&M powernews anonym. Die Führungskraft eines Parkentwicklers meinte, Reiche sei im Nebulösen geblieben. Jetzt müsse man konkrete Gesetze abwarten. Sollten die Subventionen und Ausschreibungen gekürzt werden, werde man dort Kampfgebote aus einer Torschlusspanik heraus sehen.

Der Chef eines anderen Projektierers macht sich Sorgen um das 80-Prozent-Ökostromziel für 2030. Reiche hatte sich dazu bekannt, aber zu keinem anderen zahlenmäßigen Ziel − wobei im zweiten Quartal 2025 ohnehin schon 75 Prozent erzielt worden waren. Wenn sie nun mit einem flacheren Verbrauchsanstieg rechne, seien „80 Prozent von weniger weniger“, das mache ihm Sorge.
 
Versucht sich als Beschützer der Erneuerbaren und CDU-interne Opposition: Ministerpräsident Daniel Günther
Quelle: MHC

Von einem weiteren Projektentwickler kommt eine Führungskraft mathematisch zum selben Ergebnis, dennoch bleibe der Megatrend Ökoenergie und Elektrifizierung in jedem Fall bestehen.

Günther integriert − bis zur Elbe, nicht zur Spree

Zurück zur Eröffnung: Vor Stefan Rouenhoff sprach Daniel Günther. Der Landesvater der Windhochburg Schleswig-Holstein stellte sich als Protektor der Windbranche in der Tradition seines ehemaligen Vize Habeck und als Oppositioneller zur Bundes-CDU dar. Er gehe auch von der Fortsetzung der Windzubauziele aus und werde dies Katherina Reiche demnächst sagen. „Natürlich“ müsse es „am Anfang“ eine EEG-Förderung geben, „aber wenn Sie (gemeint war wohl Reiche) der Windbranche keine Steine in den Weg legen, dann haben Sie Schleswig-Holstein als Partner“. Unterm Strich ist aber auch die Landesintegrationsfigur Günther kein Ersatz für den damaligen Grünen-Chef, Vizekanzler, Energie-, Wirtschafts- und Klimaminister Habeck. Bundespolitik kann das nur beratende CDU-Präsidiumsmitglied Günther nur über den Bundesrat gestalten.

Unter Merz und Reiche rächt sich womöglich, dass sich die Erneuerbaren-Branche so sehr an die Grünen und ihren damaligen Übervater gekettet hat, die die Macht verloren haben. Immerhin hat BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek, so erzählte sie es zumindest, Katherina Reiche gleich nach deren Amtsübernahme persönlich zugesagt, dass die Windbranche Verantwortung fürs Energiesystem übernimmt. Es gibt vielleicht doch noch Kanäle zur neuen Exekutive in Berlin.
 

Die Husum Wind 2025

Husum war vom 16. bis 19. September die deutsche „Windhauptstadt“, so Pascal Hofer, Projektleiter Messe Husum Wind. Die Branche blickt stolz auf ein starkes erstes Halbjahr 2025 zurück, an Land mit 9.400 MW im Bestand, 2.700 MW Genehmigungen, 2.600 MW im Verfahren und jetzt schon mehr als 10.000 MW Zuschlägen. Das liegt über dem EEG-Jahresziel, während die vierte Ausschreibung des Jahres noch aussteht: noch mal 3.400 MW.
Die Zahl der Aussteller sank leicht unter 600, die der Fachbesucher stieg gegenüber 2023 um 300 auf 12.300. 2019 waren es 15.000, in Hoch-Zeiten vor der Messe Hamburg Wind Energy bis zu 35.000 Besucher.

 
 

Georg Eble
Redakteur
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Montag, 06.10.2025, 08:15 Uhr

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